Dieses Kapitel wendet sich an Frauen, die sich wegen einer unklaren Veränderung in der Brust untersuchen und operieren lassen müssen. Der folgende Text beschreibt, wie die einzelnen Untersuchungen durchgeführt werden und was Sie in den ersten Tagen im Krankenhaus erwartet. Bedenken Sie bitte aber auch, dass wir in jedem einzelnen Fall das medizinische Vorgehen individuell festlegen. Es gibt deshalb immer wieder Ausnahmen von dem hier beschriebenen Weg.
Bei jeder unklaren Veränderung in der Brust und bei jedem Fall von Verdacht auf Mammakarzinom werden zunächst folgende Untersuchungen durchgeführt: Nach dem ärztlichen Erstgespräch folgt die klinische Untersuchung mit dem Abtasten der Brust und der Achselhöhle. Anschließend werden eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) und eine Röntgenuntersuchung (Mammographie) durchgeführt. Nach diesen Untersuchungen kann in vielen Fällen gesagt werden, dass alles in Ordnung ist. Wenn jedoch weiterhin der Verdacht auf eine ernste Erkrankung besteht, müssen weitere Untersuchungen folgen.
Wenn die oben genannten Befunde vorliegen, kann mit Ihnen gemeinsam das weitere Vorgehen besprochen werden. Die Entnahme einer kleinen Gewebsprobe mit mikroskopischer Untersuchung durch den Pathologen bringt die endgültige Klarheit, ob eine bösartige Erkrankung vorliegt. Deshalb geht es im Gespräch zunächst um die Frage, wie diese Gewebsentnahme durchgeführt werden soll. Hierfür gibt es im Wesentlichen zwei verschiedene Wege: Es ist möglich, die verdächtige Stelle in der Brust von außen mit einer Nadel zu punktieren, um hierbei ein kleines Gewebsstück zu entfernen, das für die mikroskopische Untersuchung ausreicht. Man nennt dies Hochgeschwindigkeitsstanze oder auch einfach Stanze. Eine Vollnarkose ist hierfür nicht erforderlich, da die Nadel nur etwas dicker ist als eine Nadel wie sie z.B. zum Blutabnehmen verwendet wird. Diese Untersuchung wird schnell und wie gesagt ohne Vollnarkose in örtlicher Betäubung durchgeführt. Das sind die großen Vorteile dieser Methode. Die Hochgeschwindigkeitsstanze wird von der Deutschen Krebsgesellschaft empfohlen und wird von uns in den meisten Fällen ambulant in der Sprechstunde durchgeführt. Das Ergebnis liegt in der Regel am nächsten Tag vor. Ein Nachteil ist, dass kleinere und versteckt liegende Veränderungen nicht immer leicht zu treffen sind. Der andere wichtige Weg, Gewebe für die mikroskopische Untersuchung zu gewinnen, besteht in der Durchführung einer Probeentnahme mit einem kleinen Hautschnitt direkt aus dem befallenen Bezirk. Für diesen Eingriff ist eine Vollnarkose mit Behandlung im Krankenhaus erforderlich. Die mikroskopische Untersuchung erfordert meist zwei bis drei Tage. Bei gutartigen Veränderungen ist die Behandlung dann abgeschlossen. Wenn sich der Verdacht auf eine bösartige Erkrankung bestätigt, muss in diesen Fällen in einem zweiten Eingriff die Operation komplettiert werden.
Zunächst einmal erfolgen dieselben Maßnahmen wie bei allen Patientinnen, die wegen einer Operation ins Krankenhaus aufgenommen werden. Dazu gehören die Erhebung der Anamnese (Krankengeschichte), eine allgemeine körperliche Untersuchung, Blutentnahmen und die Vorstellung beim Narkosearzt.
Bevor nun im weiteren Text das Vorgehen bei Vorliegen einer bösartigen Erkrankung beschrieben wird, soll nochmals ausdrücklich betont werden, dass die nun beschriebenen Eingriffe nur bei Vorliegen einer bösartigen Erkrankung durchgeführt werden. Bevor der Pathologe eindeutig und zweifelsfrei gesagt hat, dass er eine bösartige Veränderung erkannt hat, werden diese Operationen nicht durchgeführt.
Wenn wirklich eine bösartige Veränderung vorliegt, ist Folgendes wichtig: Das bösartig veränderte Gewebe muss komplett entfernt werden ohne dass Reste zurückbleiben. Der Operateur bemüht sich, einen Saum gesunden Gewebes mitzuentfernen, der um das erkrankte Gewebe herumliegt. Auf diese Weise wird die nötige Sicherheit, dass wirklich keine veränderten Zellen zurückbleiben, erreicht. Es wird auf jeden Fall zunächst überlegt, ob es möglich ist, den Tumor auf diese Weise komplett zu entfernen. Nur wenn dies unmöglich ist, muss die ganze Brust entfernt werden. Für die Entscheidung, ob es notwendig ist, die Brust komplett zu entfernen oder ob es reicht, den Tumor lokal zu entfernen, ist zunächst einmal die Größe des Tumors von besonderer Bedeutung. Aber auch die Größe der Brust ist dabei wichtig. Darüber hinaus kommt es auch auf die Wachstumsform des Tumors an. Manche Tumore wachsen in den Milchgängen vor, ohne dass man dies auf dem Röntgenbild sehen oder bei der Tastuntersuchung feststellen kann. Es gibt auch Tumore, die in Lymphgefäße vorwachsen. Tumore, die auf diese Weise unbemerkt in das umliegende Gewebe vorgewachsen sind, können manchmal nicht richtig im Gesunden entfernt werden. In solchen Fällen muss eventuell auch bei einem relativ klein erscheinenden Tumor die ganze Brust entfernt werden. Andernfalls kann nicht sichergestellt werden, dass das erkrankte Gewebe wirklich komplett entfernt wurde und dies ist die wichtigste Voraussetzung für die dauerhafte und zuverlässige Heilung.
Bei jeder Operation eines bösartigen Tumors der Brust werden auch Lymphknoten in der Achselhöhle mit entfernt. Es werden nur Lymphknoten entfernt, die unterhalb der großen Armvene liegen. Ihre Zahl liegt meist zwischen 10 und 20. Die Entfernung der Lymphknoten ist aus zwei Gründen wichtig: Der Befall der Lymphknoten zeigt die Ausbreitung des Tumors an. Dies ist für die Planung der weiteren Therapie von großer Bedeutung. Außerdem sollen Absiedlungen in den Lymphknoten auf diese Weise gleich mitentfernt werden.
Seit Ende 2003 wird bei kleinen Tumoren an unserer Klinik ein neues Operationsverfahren eingesetzt, bei dem nur ein oder ein paar Lymphknoten entfernt werden. Vor der Operation wird in das Tumorgebiet eine kleine Menge einer radioaktiven Substanz gespritzt. Mit einer Gammasonde, einem sogenannten Geigerzähler, wird während der Operation der für den Tumor „zuständige“ Lymphknoten aufgesucht und entfernt. Wenn dieser Lmphknoten tumorfrei ist, kann auf die Entfernung weiterer Lymphknoten verzichtet werden. Bei einem Befall des Wächterlymphknoten wird die Operation in herkömmlicher Weise durchgeführt.
Es gibt Veränderungen wie zum Beispiel Mikrokalk in der Brust, die nur in der Mammographie sichtbar sind und die nicht getastet werden können. Solche Veränderungen müssen am Morgen kurz vor der Operation mit einem feinen Draht markiert werden. Dieser Draht leitet den Operateur bei dem Eingriff.
In bestimmten Fällen wird nach der Probeentnahme oder Stanzbiopsie vor der endgültigen Operation eine Chemotherapie durchgeführt. Dies wird als neoadjuvante Therapie bezeichnet. Diese speziellen Maßnahmen werden auf jeden Fall vorher genau besprochen.
Es wird vor der Operation besprochen, ob die lokale Entfernung des Tumors ausreicht oder ob die ganze Brust entfernt werden muß. Nur in sehr seltenen schwierigen Fällen zeigt sich manchmal erst während der Operation, dass die Brusterhaltung nicht möglich ist. In solchen Fällen wird vorher mit Ihnen besprochen, dass diese Entscheidung erst während der Operation getroffen werden kann. Auf jeden Fall wird eine Entfernung der ganzen Brust nur durchgeführt, wenn dies vorher besprochen wurde und Sie auch zugestimmt haben. Auch die Methode zur Operation der Lymphknoten wird vorher besprochen.
Es ist sicher oft schwierig, diese Entscheidungen in so kurzer Zeit zu treffen. Sagen Sie bitte, wenn Sie noch Bedenkzeit brauchen. Eine Wartezeit von ein paar Tagen schmälert die Heilungschancen sicher nicht.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das wichtigste Ziel der Operation eines bösartigen Tumors der Brust die komplette Entfernung des Tumors ist. Auch die Operation der Lymphknoten in der Achselhöhle gehört zur Behandlung, wobei in vielen Fällen die Entfernung des Wächterlymphknoten ausreichend ist. Die ganze Brust muss nur entfernt werden, wenn es nicht möglich ist, den Tumor lokal aus dem Brustdrüsengewebe herauszulösen.
Bei der brusterhaltenden Therapie muss auf jeden Fall eine Nachbestrahlung der befallenen Brust nach der Operation durchgeführt werden.
Der folgende Abschnitt wendet sich nur an Frauen, bei denen die Brust komplett entfernt werden muss (Mastektomie). Die Entfernung der Brust stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die körperliche Unversehrtheit jeder betroffenen Frau dar. In den letzten Jahren wurden deshalb eine ganze Reihe von Operationsverfahren entwickelt, die die entfernte Brust rekonstruieren und auf diese Weise den betroffenen Frauen helfen, mit der Krankheit und dem Verlust der Brust umzugehen. Ein vielfach durchgeführtes Verfahren ist die Rekonstruktion der Brust mit einer Kunststoffprothese. Bei diesem Verfahren wird eine Silikonprothese unter den großen Brustmuskel gelegt und mit Flüssigkeit gefüllt, um den Verlust der Brust auszugleichen. Bei anderen Operationsverfahren wird Muskulatur mit Haut und Fettgewebe von anderen Stellen des Körpers in den Brustbereich geschwenkt. Ein optimales kosmetisches Ergebnis läßt sich häufig nicht durch eine einzige Operation erzielen. Hierfür sind mehrere Operationen und in bestimmten Fällen auch eine Verkleinerung der gesunden Brust erforderlich. Die Heilungschancen werden durch diese Operationen weder verbessert noch verschlechtert.
Wenn noch keine Stanzbiopsie durchgeführt wurde, muss besprochen werden wie Gewebe für die mikroskopische Untersuchung gewonnen werden soll. Wenn ausnahmsweise eine Probeentnahme mit sofortiger Untersuchung im Schnellschnittverfahren durchgeführt wird, müssen die weiteren Operationsschritte vorher besprochen werden, da Sie ja in Narkose liegen. Bei einer gutartigen Veränderung wird die Wunde der Probeentnahme wieder zugenäht und der Eingriff wird beendet. Wir müssen Ihre Zustimmung für die Erweiterung der Operation aber haben, wenn eine bösartige Veränderung vorliegt.
Ist eine brusterhaltende Therapie möglich (Entfernung des Tumors mit umliegendem gesundem Gewebe und Entfernung der Lymphknoten) oder muss eine Mastektomie (Entfernung der ganzen Brust mit Lymphknoten aus der Achselhöhle) durchgeführt werden?
Und die letzte wichtige Frage ist: Wünschen Sie einen Wiederaufbau, wenn die Entfernung der ganzen Brust notwendig ist? Diese Fragen sind für die Planung der Operation von großer Bedeutung und werden mit Ihnen ausführlich besprochen.