Nach der internationalen Kopfschmerzgesellschaft (IHS, International Headache Society) können mehr als 200 verschiedene Kopf- und Gesichtsschmerzformen unterschieden werden. Die einzelnen Kopfschmerzformen unterscheiden sich teilweise nur in Nuancen und sind deswegen nur in wissenschaftlicher Hinsicht interessant, weil sich dadurch meistens keine Änderungen für die Diagnostik und die Therapie ergeben. Die Kopfschmerz- und Gesichtsschmerzformen können in folgende (Haupt)Gruppen unterteilt werden:
Auch sind Mischkopfschmerzen dieser vier Gruppen sehr häufig, weshalb es heutzutage wissenschaftlicher Standard ist, Kopfschmerzen nicht mehr nach Art der Diagnose, sondern nach Art und Schwere der Symptome zu behandeln. Des Weiteren sind Begleiterkrankungen und Lebensumstände der einzelnen Patienten bei der Therapie zu berücksichtigen. Man unterscheidet eine vorbeugende Therapie, wenn die Kopfschmerze(attacken) sehr häufig oder sehr stark auftreten. Ziel ist die Häufigkeit und Stärke der Kopfschmerz(attacken) zu reduzieren, damit Bedarfsmedikamente in der Attacke effektiver und schneller wirken. Zum Beispiel werden zur vorbeugenden Therapie bei Migräne gerne blutdrucksenkende Medikamente wie sogenannte Betablocker eingesetzt. Diese führen unter Umständen zu Depressionen und schränken gerade bei jüngeren Patienten die körperliche Leistungsfähigkeit ein, weshalb nicht nur Wirkung, sondern auch Nebenwirkungen von Medikamenten individuell mit jedem einzelnen Patienten besprochen werden müssen. Dies ist häufig jedoch schwierig, weil sehr zeitaufwendig. Dadurch nehmen sehr wenige Patienten vorbeugende Medikamente, weil sie meistens unter den Nebenwirkungen dieser Medikamente leiden. Zwangsläufig nehmen dadurch die meisten Patienten viel zu viel Schmerzmittel bei Bedarf ein, was nicht nur das Risiko von Organschäden erhöht, sondern auch zu einem Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch führen kann. Das bedeutet, je häufiger man Schmerzmittel einnimmt, desto weniger helfen sie und führen sogar zu noch mehr Kopfschmerzen. Deshalb ist es bei regelmäßiger Einnahme von Schmerzmitteln sinnvoll eine Medikamentenpause von 14 Tagen einzuhalten, um diesen „Teufelskreis“ von Kopfschmerzen und Schmerzmitteleinnahme und noch mehr Kopfschmerzen zu durchbrechen. Bei vielen Patienten führt diese Medikamentenpause schon zu einer deutlichen Besserung der Kopfschmerzen, d. h. Häufigkeit und Stärke der Attacken gehen zurück. Es stellt sich aber dann die Frage „Welches Schmerzmittel und wann nehme ich bei Kopfschmerzattacken ein“. Es lohnt sich die bedarfsweise Schmerzmitteleinnahme nach Standard anzugehen, wie wir sie in der folgenden Tabelle dargestellt haben. Bitte besprechen Sie aber mit Ihrem behandelnden Arzt den konkreten Einnahmeplan, die Tabelle stellt nur eine Orientierungshilfe dar. Führen Sie auch keine Selbstmedikation mit nicht-verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln durch.
Die richtige Schmerzmitteleinnahme bei Spannungskopfschmerzen und Migräne
Um Kopfschmerzattacken zu lindern, kommt es auf die richtige Medikamenteneinnahme zum richtigen Zeitpunkt und mit dem richtigen Schmerzmittel an, auch um einen Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch zu vermeiden.
Schmerzstärke | stark | mittel |
Schmerzlokalisation | einseitig | diffus |
Schmerzcharakter | pochend/pulsierend | dumpf/drückend |
Schmerzverstärkung bei körperlicher Aktivität | ja | nein |
Übelkeit/erbrechen | ja | nein |
Licht-/Lämr-Geruchsempfindlichkeit | ja | nein |
Kopfschmerz beim Aufwachen | Aufwachen vor dem Weckerklingeln | Kopfschmerz nach dem Aufwachen |
Hat ein Arzt die Diagnose Migräne gestellt oder leiden Sie an einem Mischkopfschmerz aus Spannungskopfschmerz und Migräne gehen Sie bitte folgendermaßen vor:
Bitte beachten: Schmerzmittel wie Metamizol oder Ibuprofen, sowie Triptane haben nur ein begrenzte Wirkdauer und eine Kopfschmerzattacke kann mehrere Tage anhalten, weshalb Sie unter Umständen die Medikamente wiederholt einnehmen müssen. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt wie oft und in welchen Abständen Sie die Medikamente einnehmen dürfen. Bei Ibuprofen beträgt die Wirk- und Maximaldosis beim Erwachsenen 600-800 mg, die man maximal alle 8 Stunden einnehmen darf. Bei Metamizol beträgt die Dosis für Erwachsene 1 g, mit einer maximalen Einnahmehäufigkeit von 5 Einnahmen pro Tag. Bei den Tristanen, z. B. Sumatriptan beträgt die Erwachsenendosis 50-100 mg, die maximal 3 x pro Tag im Abstand von im Minimum 4 Stunden eingenommen werden dürfen.
Um einen Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch zu vermeiden, dürfen die Schmerzmittel (egal ob Ibuprofen/Metamizol oder Triptane nicht länger als 3 Tage hintereinander eingenommen werden. Sie sollten deshalb nach einer täglichen Einnahme von 2-3 Tage hintereinander unbedingt eine eben solange Pause (2-3 Tage) einhalten. Müssen Sie öfters Schmerzmittel einnehmen oder linder die Schmerzmittel die Attacke nicht effektiv und schnell genug oder sind Sie trotz Schmerzmitteleinnahme nicht in der Lage Ihrer Alltags- oder Berufstätigkeit nachzugehen, ist eine vorbeugende (medikamentöse) Therapie angezeigt. Führen Sie deshalb ein Kopfschmerztagebuch.
Symptomatik
Einseitige Schmerzattacken im Gesicht, die in Clustern auftreten und von autonomen Symptomen wie Lakrimation, konjunktivale Injektion, Rhinorrhoe, nasale Kongestion, Hyperhidrose, Hautrötung und Lidschwellung begleitet werden (können in 3% der Fälle fehlen)
Akuttherapie der 1. Wahl
Inhalation von Sauerstoff
Sumatriptan 6 mg s.c.
Zolmitriptan 5-10 mg nasal
Akuttherapie der 2. Wahl
Insitillation von Lidocain ipsilaterales Nasenloch
Sumatriptan nasal
Prophylaxe Mittel der 1. Wahl
Verapamil bis maximal 960 mg unter EKG-Kontrolle
Kortikoide 100 mg, evtl. höher dosiert
Prophylaxe Mittel der 2. Wahl
Lithium nach Spiegel
Topiramat 100-200 mg
Andere therapeutische Optionen und Einzelfallbeschreibungen
Valproinsäure
Dihydroergotamin i.v. über Perfuso
2 mg Ergotamin (oral, Supp.) zur Nacht und langwirkende Triptane bei Patienten mit ausschließlich nächtlichen Attacken
Capsaicin-Salbe (0,5%) topisch in das ipsilaterale Nasenloch
Nervenstimulation des Ganglion sphenopallatinum
Nervenstimulation N. occipitalis bds
Symptomatik
Kürzere, aber häufigere Attacken im Vergleich zum Clusterkopfschmerz, weniger schwere autonome Symptome, Ansprechen auf Indometacin
Akuttherapie der 1. Wahl
Derzeit keine wirksame Therapie bekannt
Prophylaxe Mittel der 1. Wahl
Indometacin 100-300 mg
Andere therapeutische Optionen und Einzelfallbeschreibungen
Verapamil
Azetazolamid
COX-2-Hemmer
Symptomatik
Siehe paroxysmale Hemikranie
Akuttherapie der 1. Wahl
Derzeit keine wirksame Therapie bekannt
Prophylaxe Mittel der 1. Wahl
Indometacin 100-300 mg
Symptomatik
Extrem kurzdauernde Schmerzattacken mit Vernichtungscharakter, einseitig periorbital, autonome Syndrome meist auf konjunktivale Injektion und obligatorische Lakrimation beschränkt, episodisch und chronisch auftretend
Akuttherapie der 1. Wahl
Derzeit keine wirksame Therapie bekannt
Prophylaxe Mittel der 1. Wahl
Lamotrigin 100-400 mg
Prophylaxe Mittel der 2. Wahl
Gabapentin 1800-2400 mg
Andere therapeutische Optionen und Einzelfallbeschreibungen
Valproinsäure
Topiramat
Lidocain i.v.
Symptomatik
Wie SUNCT, Schmerzen aber moderater und es tritt nur ein autonomes Symptom auf: Entweder Lakrimation oder konjunktivale Injektion.
Akuttherapie der 1. Wahl
Derzeit keine wirksame Therapie bekannt
Prophylaxe Mittel der 1. Wahl
Derzeit keine wirksame Therapie bekannt. Versuch wie bei SUNCT
Sämtliche Therapieverfahren werden in der Klinik Löwenstein angeboten. Auch die operativen Verfahren wie die Nervenstimulation (Ausnahme Stimulation des Ganglion sphenopallatinum) werden regelmäßig bei Kopfschmerzerkrankungen durchgeführt.