Rückenschmerzen zählen zu den häufigsten Schmerzzuständen. Sie haben sowohl für die Betroffenen als auch für unsere Gesellschaft eine sehr große Bedeutung. In den Industrieländern leiden fast 90% der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens - zumindest zeitweise - unter Rückenbeschwerden. Dadurch kommt es vorübergehend oder andauernd zu Einschränkungen im Arbeits- und Privatleben.
Interessanterweise ist die Häufigkeit von Rückenschmerzen in den Entwicklungsländern sehr gering im Vergleich zu den Industrienationen, ähnlich verhält es sich mit den Fehlzeiten am Arbeitsplatz. Rückenschmerzen sind also im gewissen Sinn zivilisationsbedingt. Besonders häufig betroffen sind Männer und Frauen im Alter zwischen 30 und 55 Jahren -in einer Lebensphase also- in der beruflich meist hohe Anforderungen und privat große soziale Verpflichtungen bestehen.
Die Hälfte der Betroffenen klagt über „Kreuzschmerzen“, ein Drittel über Schmerzen im Nackenbereich und etwa 15 % geben Beschwerden im Brustwirbelsäulenbereich an. Die Beschwerdebilder sind bunt und reichen vom plötzlich auftretenden Schmerzen, im Volksmund als „Hexenschuss“ bezeichnet, bis hin zu Dauer-schmerzen. Die können mit oder ohne Ausstrahlung bestehen, haben dumpfen, bohrenden, ziehenden oder stechenden Charakter und treten in Ruhe oder bei körperlicher Belastung auf. Oft klagen die Betroffenen über ein Gefühl, als würden sie im Rücken „abbrechen“. Auch nächtliche Missempfindungen und Kribbeln werden geschildert. Abhängig von der zu Grunde liegenden Ursache und von der individuellen Schmerzverarbeitung können sich die Beschwerden sehr stark unterscheiden.
Spezielle Um- und Abbauprozesse an der Wirbelsäule, im Volksmund als „Verschleiß“ und vom Arzt als „degenerative Veränderungen“ bezeichnet, sind unabwendbare Alterserscheinungen. Man findet sie bei jedem Menschen in unterschiedlicher Ausprägung schon ab dem 30. Lebensjahr. Mit steigendem Alter nehmen sie an Häufigkeit und Ausprägung zu. Im Röntgenbild kann das Ausmaß dieser Veränderung manchmal beeindruckend sein. Dieser sichtbare „Verschleiß“ führt jedoch nicht zwangsläufig zu Beschwerden – andererseits können sogar starke Rückenschmerzen auch ohne röntgenologische Veränderungen bestehen.
Degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke und der Bandscheiben zählen gemeinsam mit Haltungsfehlern, Fehlbelastungen und Trainingsmangel zu den häufigsten Auslösern von Rückenschmerzen. Andere wichtige Ursachen sind Osteoporose, Fehlbildungen wie Wirbelgleiten und Skoliose sowie Gelenk- und Weichteilrheuma. Auch gynäkologische, urlogische, internistische und neurologische Erkrankungen können indirekt Rückenschmerzen verursachen. Selten sind z.B. Tumore oder Durchblutungsstörungen Gründe für Rückenbeschweren.
Oftmals scheint ein „Kreislauf ohne Ende“ zu bestehen: Mangelhaft ausgebildete Rumpfmuskulatur führt gemeinsam mit Fehlhaltung zu vermehrter Wirbelsäulenbelastung. Dadurch entstehen schmerzhafte Muskelverspannungen, die wiederum Fehlhaltung und Rückenbeschwerden verstärken. Der Kreislauf beginnt von neuem, nicht zuletzt auf Grund einer schmerzbedingten Inaktivität bzw. Schonung.
Die Entstehung von Rückenschmerzen ist ein komplexes Geschehen mit Funktionsstörungen von knöchernen, muskulären und bandförmigen Strukturen.
Unabhängig von der Grunderkrankung können die Beschweren durch eine aktive muskelstärkende Behandlung und rückengerechtes Verhalten gelindert oder sogar zum Abklingen gebracht werden.
Bei der Osteoporose z.B., einer Krankheit mit Minderung der Knochendichte meist bei Frauen nach den Wechseljahren, ist eine kräftige Muskulatur Voraussetzung, um die „entkalkte“ Wirbelsäule zu stabilisieren. Bewegungsmangel fördert die „Knochenschwäche“ und Muskelabbau und führt zu vermehrten Schmerzen. Auch hier gilt: Je stärker die Muskulatur, desto stärker die Knochen!
Die Wirbelsäule ist nicht nur eine Aneinanderreihung von Wirbelkörpern mit dazwischenliegenden Bandscheiben. Sie erfüllt wichtige biomechanische Funktionen und schützt das Rückenmark. Jede Abweichung von ihrem natürlichen Aufbau bedingt eine ungleiche und damit höhere mechanische Belastung der betroffenen Anteile.
Die harmonische S-förmige Schwingung der Wirbelsäule wirkt zusammen mit den Bandscheiben als Stoßdämpfer und ermöglicht Stabilität und Beweglichkeit gleichermaßen. Eine wichtige Voraussetzung für den Erhalt dieser natürlichen Wirbelsäulenform ist eine gute Körperhaltung. Auch Störungen fernab vom Rücken, wie z.B. Knick-, Senk- oder Spreizfüße, belasten die Wirbelsäule.
Bei aufrechter Haltung, insbesondere beim Sitzen, ist die Belastung für Wirbelkörper, Bandscheiben, Muskeln und Bändern um ein vielfaches höher als im Liegen und nimmt beim Vorbeugen noch einmal deutlich zu. Schon das falsche Anheben eines Sprudelkastens kann bei schwacher Muskulatur zu akuter Überbelastung der Wirbelsäule und damit zu Rückenbeschwerden führen, da beim Heben von 20 kg die Belastung auf das 5 – 6-fache ansteigt
Heftige ruckartige Bewegungen können ebenfalls zu enormen Belastungsspitzen führen. Nicht zuletzt leiden gerade Turner und Speerwerfer unter Bandscheibenschäden.
Die Bedeutung von richtigem Bewegen, Sitzen Liegen und Stehen können nicht genügend betont werden. Da Bandscheiben, Knorpel, Sehnen und Bänder nur bei ausreichender Bewegung optimal ernährt werden, ist eine sinnvolle Belastung unter Vermeidung von Überbelastung notwendig.
Sportler z.B., die ein technisch einwandfreies Training absolvieren, klagen daher nur selten über Rückenbeschwerden. Die Muskulatur beugt hier als natürliche Stoßdämpfer vor.
Darüber hinaus ist ohne Abbau von spannungs- und angsterzeugenden Lebensmomenten eine aufrechte, lockere und doch stabile Haltung nicht möglich. Dies unterstreicht die Bedeutung einer „inneren Schulung“. Nicht zu unrecht gibt es im Volksmund die Redensart wie „das Rückgrat sei gebrochen“, „die Last auf den Schultern tragen zu müssen“, „ein schweres Kreuz tragen“ oder „es sitzt mir im Nacken“.
Die moderne Therapie von Rückenschmerzen orientiert sich an aktiven Maßnahmen, wie beispielsweise Krankengymnastik und Muskelaufbautraining. Dagegen sind passive Maßnahmen wie z.B. Massagen oder Moorpackungen in ihrer heilenden Wirkung als zweitrangig anzusehen und nur in Verbindung in mit einer aktiven Therapie sinnvoll.