Kognitive Verfahren wie Entspannungsverfahren (Progressive Muskelrelaxation nach Jakobson), Schmerzbewältigungstraining (Krankheitsmanagement, Salutogenese), psychosomatische und übende Verfahren (Biofeedback).
Im folgenden stellen wir ein Verfahren vor, das meist vernachlässigt wird. Es bietet neben einer geringen Nebenwirkungsrate ein hohes Maß an Erfolg, allerdings dauert es länger zum Einüben.
Schmerzbewältigungstraining – Verbesserung der Lebensqualität bei chronischen Schmerzen durch selbständig durchgeführte psychologische Verfahren
Viele Patienten mit chronischen Schmerzen haben diesen Satz schon von Ärzten gehört. Während akute Schmerzen bei akuten Entzündungen oder Verletzungen durch medikamentöse oder operative Eingriffe geheilt werden können, sind die meisten chronischen Schmerzsyndrome durch diese Maßnahmen nicht heilbar. Wenn der Schmerz über 6 Monate anhält, spricht man von einem „chronischen Schmerz“. Die Ursachen für chronische Schmerzen sind vielfältig und trotz medikamentöser und operativer Therapie sind die Schmerzen nicht vollständig ausschaltbar. Das heißt jedoch nicht, dass die Schmerzen „eingebildet“ oder vorgetäuscht sind. Die moderne Schmerzforschung kann zeigen, dass bei chronischen Schmerzen ganz andere Mechanismen im Nervensystem ablaufen als beim akuten Schmerz. Vereinfacht gesagt: Das Nervensystem (Nervenstränge, Rückenmark, Gehirn) meldet andauernd Schmerzen, ohne dass eine äußere Ursache noch vorhanden sein muss. Dieser „erlernte Schmerz“ hat sich im Nervensystem festgesetzt und verselbständigt (sogenanntes Schmerzgedächtnis). Mit neuesten wissenschaftlichen Methoden, die nicht Bestandteil der medizinischen Routinediagnostik sind, lassen sich diese Veränderungen auf allen Ebenen des Nervensystems (von Zellen bis zu bestimmten Hirnarealen) nachweisen. Chronische Schmerzen gehen auch mit anderen Beschwerden, wie z.B. Schlafstörungen, Appetitmangel, Abnahme sexueller Bedürfnisse und allgemeiner Reizbarkeit einher. Viele Patienten verlieren das Interesse an ihrer Umgebung und ziehen sich zurück. Es ist bekannt, dass sich die Intensität des Schmerzerlebnisses und das Ausmaß der depressiven Verstimmung wechselseitig bedingen und verstärken. Der Patient gerät in einen Teufelskreis, in dem die psychische Situation die Schmerzen verstärkt und die Schmerzen auf die psychische Situation zurückwirken. Dieser Prozess kann sich verselbständigen. Der Schmerz wird zur eigentlichen Erkrankung. Die Betroffenen leiden in mehrfacher Hinsicht: Durch die anhaltenden Schmerzen selbst mit ihren seelischen und sozialen Konsequenzen. Durch den steten Wechsel von Hoffnung auf erfolgversprechende Therapie und der bitteren Enttäuschung über deren Fehlschlag sowie Der zunehmenden Hilflosigkeit und Passivität als Folge der Enttäuschungen über bisherige ärztliche Maßnahmen
Genau diesen Teufelskreis zwischen Schmerzen, Depressivität und Hilflosigkeit versuchen Schmerzbewältigungstrainingsprogramme zu vermeiden bzw. zu durchbrechen. Schmerzbewältigungstrainingsprogramme haben folgende Ziele: Durch frühzeitige emotionale Unterstützung und Anleitung in aktiver Krankheitsbewältigung soll ein Abgleiten in Zustände von Hilflosigkeit und Resignation vermieden werden. Patienten erlernen Verfahren zur aktiven Schmerzkontrolle, um hierdurch ihren Schmerz zu reduzieren. Patienten lernen, sich vom Schmerz zu distanzieren und anderen Dingen als dem Schmerz erneut Raum in ihrem Leben zu geben, d.h. sie verbessern trotz bestehender Schmerzen ihre Lebensqualität.
Für Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und degenerativ-rheumatischen Erkrankungen sind diese Programme als Ergänzung der medikamentösen und physikalischen, gegebenenfalls operativen Schmerztherapie zu empfehlen. Bei sogenannten weichteilrheumatischen Erkrankungen wie der Fibromyalgie und unspezifischen Rückenschmerzen (aber auch Spannungskopfschmerzen) sind Schmerzbewältigungstrainingsprogramme neben medikamentöser und physiotherapeutischer Behandlung gleichberechtigter Hauptpfeiler der Behandlung. Nicht geeignet für diese Form des Gruppentrainings sind Patienten mit schwereren Depressionen und Angststörungen, Psychosen oder Demenzen. Bei Schmerzmittelabhängigkeit sollte zuvor eine Entzugsbehandlung erfolgen. Eine gute Eigenmotivation ist notwendig.
Das in der Schmerztherapie häufig eingesetzte Programm „Schmerz im Gespräch“ wurde in 10-jähriger Entwicklungszeit von Ärzten, Psychologen und Krankengymnasten der Universität Marburg in Zusammenarbeit mit Schmerzambulanzen und ärztlichen Praxen mit dem Schwerpunkt Schmerztherapie entwickelt. 6 bis 10 Patienten mit chronischen Schmerzsyndromen kommen zum Erfahrungsaustausch und gemeinsamen Lernen an 6 Terminen (ein Termin pro Woche, 1,5 Stunden) zusammen. Der Kontakt und Austausch mit Menschen mit vergleichbaren Problemen schafft emotionale Entlastung und ein ideales Trainingsfeld. In jeder Stunde erhalten die Patienten von dem Gruppenleiter (entsprechend qualifizierter Arzt oder Psychologe) Schmerzbewältigungstechniken vermittelt, welche zu Hause anhand von mitgegebenen Arbeitsmaterialien wie Arbeitsblätter oder Audiokassetten eigenständig geübt werden (1 bis 2 x täglich 20 Minuten). Bei der nächsten Sitzung werden die Erfahrungen mit den neu erlernten Techniken besprochen. Das Programm enthält folgende Komponenten: Information: Neben Information über die Krankheit erhält der Patient auch Erklärungen darüber, in welcher Weise die Schmerzwahrnehmung von der psychischen Verfassung abhängig ist. Der Teufelskreis von Schmerz, Muskelverspannung und Entmutigung wird ebenso dargestellt wie das Ziel der Gruppenarbeit, durch aktive Beteiligung zunehmende Selbstkontrolle über Gedanken, Gefühle und Verhaltensweise zu erlangen. Entspannung: Durch die Erlernung der progressiven Muskelentspannung nach Jacobson (Lang-, Kurz- und Ultrakurzform) sowie später unter Hinzunahme autogener Elemente wie Ruhewort und Ruhebild erlernen die Patienten eine bessere Wahrnehmung ihres Körpers und die Entspannung von angespannte Muskelpartien. Weiterhin lernen sie, stressbedingte Verspannungen der Muskulatur rechtzeitig wahrzunehmen und durch die Entspannungstechniken Stress abzubauen. Veränderungen von negativen schmerzbegleitenden Gedanken und Gefühlen: Chronische Schmerzen werden durch negative Gedanken („ es wird immer nur schlimmer“, „mir kann keiner helfen“) verstärkt. Diese negativen Gedanken, die oft automatisch ablaufen, werden durch Gedankenprotokolle identifiziert und durch positive oder zumindest indifferente Gedanken bzw. Selbstsuggestionen (z.B. „ich werde das schaffen“, „die Schmerzen sind mit gleichgültig“) ersetzt. Imaginationstraining – Selbsthypnose: Die Patienten lernen, durch Phantasieübungen bzw. Tagtraumtechniken ihr Schmerzerleben zu verändern (z.B. den Schmerz als eine rote Kugel wahrzunehmen und seine Form zu verändern) bzw. sich durch angenehme Phantasien vom Schmerz abzulenken. Förderung positiven Erlebens: Um die Aufmerksamkeit von solchen Aktivitäten, die schmerzbedingt nicht durchgeführt werden können, auf solche umzulenken, die Genuss und Freude bringen werden, Richtlinien für angenehme Aktivitäten vermitteln. Hierzu gehört z.B. „gönne dir Genuss“, „genieße die kleinen Dinge des Alltags“, „genieße auf deine Art“. Es werden konkrete Pläne für die Durchführung angenehmer Aktivitäten entworfen. Aktivitätsmanagement: Im Erfahrungsaustausch und durch konkrete Planung lernen die Betroffenen, ihre Aktivitäten und ihr Schmerzerleben besser zu koordinieren. Manche Patienten schonen sich aufgrund ihrer Schmerzen zu sehr und vermeiden sinnvolle Aktivitäten, obwohl sie zu keiner Schmerzverstärkung führen. Andere Patienten handeln so, als ob sie keine Schmerzen hätten und überfordern sich. Es gilt, das individuell richtige Maß von Aktivität und Erholung herauszufinden.
Bei dem vorgestellten Schmerzbewältigungstraining „Schmerz im Gespräch“ handelt es sich um ein wissenschaftlich entwickeltes und in seiner Wirksamkeit (bei chronischen Kopf- und Rückenschmerzen) bestätigtes Therapieverfahren. Auch bei Patienten mit rheumatoider Arthritis und Morbus Bechterew konnten durch etwas umfangreichere Trainingsprogramme positive Effekte nachgewiesen werden. Die meisten Patienten berichten von einer Schmerzreduktion zwischen 30 und 40 % (d.h. es gibt auch Patienten, die über keine Schmerzreduktion berichten und andere Patienten, die über eine größere Schmerzreduktion berichten). Depressivität und Ängstlichkeit verringern sich deutlich. Die Patienten werden wieder aktiver. Die Patienten distanzieren sich besser von ihren Schmerzen. Auch in Nachbefragungen, die wir nach einem Jahr durchgeführt haben, schildern die Patienten, dass sie von ihrem Schmerz nicht befreit sind, aber das er für sie erträglicher geworden ist. Die Befragten umschreiben das mit den Worten wie: „der Schmerz ist noch da, aber er macht mir nicht mehr soviel aus“. Andere berichten, dass sie „die Schmerzen nicht mehr so wichtig nehmen“, oder dass es noch „andere wichtige Dinge außer Schmerzen im Leben gibt“, oder dass sie gelernt haben „besser mit dem Schmerz zu leben“. Das heißt, es findet kein resignatives Akzeptieren des Schmerzes („damit müssen sie leben“) statt, sondern die Patienten haben gelernt, mit oder trotz Schmerzen besser zu leben.