Ob jung oder alt, fast jeder redet von Stress oder fühlt sich zumindest zeitweise "gestresst". Der Begriff "Stress" ist zu einem vielbenutzten Modewort geworden, mit dem jeder etwas anderes umschreibt, meist etwas Unerfreuliches wie Ärger, Gereiztheit, Überlastung, Zeitmangel oder andere Widrigkeiten des Lebens. Wer viel Stress hat, genießt andererseits oft hohes Ansehen, da Stress fälschlicherweise mit Leistungserfolg gleichgesetzt wird, den Merkmalen und Zielen unserer Gesellschaft.
Wenn wir heute von Stress reden, dann umschreiben wir damit ein Gefühl, das durch andauernde körperliche und psychische Anspannung und Überforderung entsteht. Stress ist keine Krankheit, sondern Ausdruck unseres Befindens, in das wir durch unterschiedlichste Situationen geraten können. Im Stress ist das natürliche Gleichgewicht zwischen Anspannung und Entspannung gestört. Hierdurch können Gesundheitsprobleme verstärkt und die Entstehung von Krankheiten begünstigt werden.
Der Stressmechanismus an sich ist biologisch sinnvoll und für uns überlebenswichtig, er ist in unseren Genen verankert. Er gewährleistet, dass wir in belastenden oder bedrohlichen Situationen schnell und effektiv reagieren können. Besonders wichtig war es für den Urzeitmenschen, in bestimmten oft gefährlichen Situationen reflexartig mit Stress zu reagieren. Hierdurch kam es nämlich schlagartig zur immensen Bereitstellung von Energie wodurch er kampf-und fluchtbereit wurde.
Unsere heutige Lebens-und Arbeitsbedingungen erfordern diese Form der Reaktion in der Regel nicht mehr. Trotzdem reagieren wir in punkto Stress immer noch wie Urzeitmenschen. Selbst durch harmlose und ungefährliche Situation bzw. Reize wie Dauergeräusch, Straßenlärm, laute Musik geraten wir in Stress.
Normalerweise erfolgt einer Stressbelastung der Abbau von „Stressenergie“. Daran schließt sich eine ausreichend lange Erholungsphase an. Ist dieser Rhythmus von Stress und Entspannung gestört, und können wir die Stressenergie nicht abbauen, dann sind körperliche und seelische Beeinträchtigungen möglich. Dieser Effekt wird durch gesundheitsschädigendes Verhalten in Stress-Situationen wie einseitige Ernähren, übermäßiger Kaffee-, Alkohol-und Zigaretten-Konsum oder durch Einnahme von Beruhigungs-, Aufputsch-, Schmerz-und Schlafmittel noch verstärkt.
Als Stressoren bezeichnet man Situationen oder allgemein Reize, die Stress auslösen können. Stressoren lauern in allen Lebensbereichen. Man kann grob zwischen inneren und äußeren Stressoren unterscheiden. Zu den äußeren Stressoren zählen z.B. Lärm, Hitze, Verletzung, Drogen, Sauerstoffmangel, Reizüberflutung. Zu den inneren zählen z.B. Hunger, Durst, Schmerzen, Angst, Wut, negative Gedanken, Sorgen.
In vielen Fällen kommen mehrere Stressoren gleichzeitig zusammen. Plötzlich einsetzendes Telefonklingeln kann eine Schreckreaktion und damit Stress auslösen, der durch die Erwartung eines unangenehmen Gesprächs noch verstärkt wird. Durch Schmerzen ausgelöster Stress wird unter der Befürchtung dahinter verberge sich eine schlimme Krankheit gesteigert werden. Andere komplexe Stressoren können Zeitdruck, Streit, Konkurrenz, Leistungsdruck, Misserfolg, ärztliche Untersuchung, beengte Wohnverhältnisse, Arbeitslosigkeit, Eheprobleme, Tod von geliebten Menschen, aber auch anstrengende körperliche Tätigkeiten und Extremsportarten sein.
Selbst offensichtlich erfreuliche Ereignisse wie Heirat, Geburt des ersten Kindes oder beruflicher Aufstieg können uns unter Stress setzen. Die Aufzählung ist unvollständig, da jeder seine individuellen Stressoren hat. Die Persönlichkeit, die Erbanlagen und die Lebenserfahrungen eines Menschen beeinflussen in erheblichen Masse den Umgang mit Stressoren. Oft entscheidet allein die Wahrnehmung und Bewertung darüber, ob eine Situation, ein Reiz zum Stressor wird oder nicht: Musik, die wir freiwillig hören, wird als angenehm empfunden. Dagegen kann eine Berieselung mit Musik, der wir uns nicht entziehen können, durchaus Stressreaktionen hervorrufen.
Soziale Regeln, Höflichkeiten und Etikette hindern uns daran, dass wir uns wie Urzeitmenschen abreagieren und dadurch Stress abbauen. Im täglichen Leben müssen wir uns zumeist anders verhalten, als wir eigentlich wollen: Können z.B. nicht nein sagen, obwohl uns danach zumute ist, halten unsere Meinung zurück, obwohl wir sie dringend sagen möchten, sind äußerlich ruhig, obwohl wir uns innerlich ärgern. Als Folge hiervon richtet sich, vereinfacht ausgedrückt, die bereitgestellte Stress-Energie gegen unseren Körper.
Wenn der Körper in Stress-Situationen kommt, werden Stresshormone ausgeschüttet, das Nervensystem wird aktiviert, Atmung, Herz und Kreislauf steigern ihre Leistung, die Blutgerinnung wird beeinflusst, Magen und Darm reduzieren ihre Tätigkeit, die Skelettmuskulatur spannt sich an, der Körper ist kampf- und fluchtbereit.
Tritt Stress nur gelegentlich auf und kann die Stress-Energie abgebaut werden, dann erholt sich der Körper von den Stress-Reaktionen. Kommt es aber häufig zu Stress-Situationen oder lebt der Mensch gar unter Dauer-Stress, so kann er krank werden. Wenn Sie sich häufig abgespannt fühlen, sich schon über Kleinigkeiten ärgern und lange Erholungszeiten benötigen, können diese z.B. Zeichen dafür sein, dass Sie überfordert sind, mit einer Dauerbelastung nicht fertig werden, dass Sie sich im Stress befinden.
Bei lang anhaltenden Stress-Situationen können zahlreiche Störungen auftreten, wie Herz-Kreislaufprobleme, Erhöhung des Cholesterinspiegels, Zunahme des Herzinfarktrisikos, Verdauungsbeschwerden, Schlafstörungen, Anfälligkeit für Infektionen, sexuelle Störungen, Kopfschmerz, übermäßiges Schwitzen, Konzentrationsstörungen, Gefühlsschwankungen, Nervosität, Verspannung der Muskulatur, Rückenschmerzen, Zähneknirschen und viele andere.
Um Stress bewältigen zu können, müssen Stress-Situationen erkannt und analysiert werden. Da Stress individuell ist, müssen auch die Bewältigungsmethoden maßgeschneidert werden.
Prinzipiell gibt es zwei Arten von Bewältigungsstrategien: Langfristige und kurzfristige.
Bei den langfristigen Strategien wird versucht, die Stressoren zu vermeiden bzw. zu beseitigen oder ihre ungünstigen Wirkungen abzuschwächen. Diese Strategie ist dann sinnvoll, wenn Stress-Situationen vorhersehbar sind und sich ständig wiederholen.
Greifen Sie bitte nicht zu Scheinlösungen um Stress abzubauen, wie Konsum von Alkohol, Nikotin, Koffein oder Einnahme von Psychopharmaka. Auch wenn Sie hierdurch kurzfristig eine beruhigende oder leistungssteigernde Wirkung verspüren sollten, langfristig schaden Sie sich damit und Ihre Probleme bleiben ungelöst.
Ein Leben ohne Stress gibt es nicht. Jeder Mensch kommt unweigerlich immer wieder in Stress-Situationen. Ob uns Stress krank macht hängt aber anscheinend von der Stress-Dosis, vom Lebensstil, und von unserer Fähigkeit zur Stressbewältigung ab. Manche Menschen können von Natur aus sehr gut mit Stress umgehen, andere müssen Stressbewältigung erst lernen.
Ihren persönlichen Lebensstil sollten Sie so einrichten, dass Stress-Situationen soweit wie möglich vermieden werden. Steigern Sie außerdem Ihre Gesundheit durch Maßnahmen, wie Optimismus, Lebensfreude, Muse und soziale Geborgenheit.